22.02.2006 09:27 Alter: 19 yrs
Kategorie: IG Nachbau Bauernstimme

Brot mit Geschichte

Zur Finanzierung von Pflanzenzüchtung einmal anders


"Die Themen Artenvielfalt, Gentechnik und Sortenschutz (Nachbaugebühren) genießen seit Jahren große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Dabei wendet sich die Ablehnung der Gentechnik zunächst nur gegen eine Technologie und gegen die sie propagierenden Unternehmen so wie das zugrundeliegende Weltbild. Dahinter verbirgt sich eine Diskussion um Leitbilder. Der Vision der Gentechnik - Ertragserhöhung, Kostensenkung, Zentralisierung und Vereinheitlichung - setzen ihre Kritiker die Zukunftsvision der ökologischen Züchtung entgegen: Vielfalt der Kulturen und Sorten, ganzheitlicher Züchtungsansatz, Beteiligung der Landwirte und Gärtner, Geschmack und Lebensmittelqualität", so beginnen Cornelia Roeckl und Oliver Willing ihren Beitrag zur ökologischen Saatgutzüchtung im Kritischen Agrarbericht 2006. Dabei geht es um mehr als nur darum darzustellen, was der Ökologische Landbau für Ansprüche an eine eigene Pflanzenzüchtung stellt. Im Sinne der bäuerlichen Interessen arbeiten die Pflanzenzüchter eigentlich nur noch eingeschränkt. Vielmehr steht vornehmlich der Profit im Vordergrund. Deshalb plädieren die Autoren dafür, eine sich davon abhebende Pflanzenzüchtung auch zu einer öffentlichen Aufgabe zu machen: "In der Züchtung wird nichts Geringeres als die Existenzgrundlage aller Menschen bearbeitet. Neben naturwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen sind auch ethische, ökologische, ernährungsphysiologische und kulturelle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob es dafür (schon) einen Markt gibt." Und ebenfalls über die Entwicklung neuer partnerschaftlicher Verhältnisse zwischen Bauern, Verarbeitern und Züchtern ließen sich die Interessen der Einzelnen besser berücksichtigen. Dabei kommen die Nachbaugebühren ins Spiel, da "gerade eine Züchtung von Pflanzensorten, die für Nachbau besonders geeignet sind, auf solche Gebühren - in welcher Form auch immer - angewiesen ist." Es gibt bereits Ansätze für vertragliche Abschlüsse im Biobereich, die weiter diskutiert und verbreitet werden sollten und schließlich auch für die konventionelle Landwirtschaft greifen könnten. In den Modellen von Getreidezüchter Karl-Josef Müller in Niedersachsen und der Sativa-Genossenschaft im Süden Deutschlands ist vorgesehen, alternativ zu einer Züchterlizenz, erst beim Verkauf der Konsumware an die Verarbeiter 1 Euro pro 100 kg an die Züchter zurückfließen zu lassen. Unter bestimmten Bedingungen lässt sich dieser Betrag auch auf den Verarbeiter mit umlegen. Die Sativa-Genossenschaft beispielsweise versucht dem Kunden zu vermitteln, wie die Getreidesorten die die Körner für dieses Brot liefern züchterisch entwickelt wurden, will dem Brot eine Geschichte geben, die auf vielen (finanziellen) Schultern ruht. Hier stehen Kommunikation und Transparenz dem entgegen, wie die konventionelle Züchtung sich derzeit zu finanzieren versucht. Den Artikel zum Weiterlesen gibt's im: Kritischen Agrarbericht 2006

Kein Grund zur Klage

STV muss Anhaltspunkte für den Nachbau außergerichtlich vorlegen, wenn sie Auskunft will

Es war einmal ein Bauer, der hatte für zwei Jahre ordentlich auf die pauschalen Auskunftsersuchen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) reagiert und Nachbaugebühren bezahlt. Im dritten Jahr nun bat der Bauer die STV um die Nennung von Anhaltspunkten für seinen Nachbau in dem Sinne, wie sie das zwischenzeitlich gefällte EuGH-Urteil vorsieht. Er erhielt keine Antwort. Stattdessen bekam er Post von den Rechtsanwälten der STV - eine Klageschrift, mit der sie Auskunftsansprüche der STV für 12 namentlich genannte Pflanzensorten erheben. Sie führen aus, dass der Bauer mit diesen Sorten laut seiner eigenen Auskünfte in den Vorjahren in seinem Betrieb gewirtschaftet hat und dies Anhaltspunkt dafür ist, dass er nun damit Nachbau betrieben hat. Der Bauer und seine Anwälte teilen der STV noch innerhalb der vorgegebenen Fristen mit, dass sie die Auskunftsansprüche für diese 12 Sorten anerkennen. Sie sind allerdings der Ansicht, dass sie keinen Anlass zur Klage gegeben haben, da der Bauer ja nicht plump die Auskunft verweigert hat sondern lediglich Anhaltspunkte vorgelegt haben wollte. Die STV vertritt den Standpunkt, sie müsse auf solche Anfragen nicht reagieren, müsse außerhalb eines Gerichtsverfahrens keine Anhaltspunkte vorlegen, müsse kein sogenanntes "qualifiziertes Auskunftsersuchen" vorlegen. Sie könne es auch gar nicht, weil es ihr "praktisch nicht möglich sei, alle ca. 200.000 in Deutschland im Haupterwerb tätigen Landwirte individuell anzuschreiben und jeweils vorher individuell ermittelte Anhaltspunkte darzulegen." Das Landgericht in Braunschweig, gab der STV Recht und drückte dem Bauern die Verfahrenskosten auf.

Es geht weiter

Der Bauer und seine Kollegen in der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugebühren und Nachbaugesetze gaben nicht auf. Da es sich bei ihnen und ihren Anwälten Miersch und Wilhelms um widerstandfähigere Exemplare ihrer Art handelt, legten sie Beschwerde gegen das Urteil ein. Die Richter des nun zuständigen Oberlandesgerichtes sahen die Beschwerde als begründet an, schließlich habe der Bauer mit seinem Verhalten der STV tatsächlich keine Veranlassung zur Klage gegeben. Die Vorlage von Anhaltspunkte in ihrem Auskunftsersuchen beziehe sich in den höchstrichterlichen Urteilen nicht nur auf Gerichtsverfahren, sondern gelte auch schon für das vorgerichtliche Auskunftsverlangen. Auch das dies nicht praktikabel sei ließen die Braunschweiger Richter nicht gelten. Sie erlegten die Kosten des Verfahrens der STV auf und schrieben abschließend. "Es kann dabei dahin stehen, wie detailliert Anhaltspunkte für einen möglichen Nachbau in einer vorprozessualen Auskunftsaufforderung dargelegt werden müssen, um den Auskunftsanspruch des Landwirts auszulösen und bei fehlender Auskunft von einer Klageveranlassung zu sprechen. Das Übersenden allgemeiner Vordrucke für über 500 Pflanzensorten zusammen mit dem ‚Nachbauratgeber' mag zwar eine legitime Form des ersten Ansprechens der Landwirte sein. Eine Verpflichtung zur Auskunft ergibt sich daraus jedoch noch nicht..." Der Versuch der STV, über die Hintertür ihr pauschales Auskunftsersuchen doch noch durchzudrücken (auf Rückfrage des Bauern nicht reagieren, stattdessen teures Klageverfahren zu Lasten des Bauern anzetteln und damit Nachahmer abschrecken) ist gescheitert. Die Moral von der Geschichte: Bauern füllt keine Fragebögen aus, schreibt lieber persönliche Briefchen und wartet in Ruhe ab.

Gebühren vor EuGH

Am 12. Januar verhandelte der Europäische Gerichtshof erneut in Sachen Nachbaugebühren. Diesmal ging es nicht wie in den vergangen Verfahren um die Auskunft, sondern erstmals um die Gebühren selbst. Das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht in Braunschweig hatten die Nachbaugebührenhöhe von 80% der Z-Lizenzgebühr für nicht "deutlich niedriger" - so die Formulierung im Gesetzestext - als die Z-Lizenz befunden. Die STV war erneut in Berufung gegangen, das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelandet und dort wiederum hatten die Richter unter anderem die Frage, was denn eine "deutlich niedrigere" bzw. "angemessene" Gebühr ist, an den EuGH weitergereicht. In der Verhandlung kündigte der Generalanwalt die Vorlage seines Schlussantrages für den 9. Februar an.

Vielfalt im Bunker

Gerüstet sein für das Schlimmste, für Supergaus jeglicher Art bzw. den Tag danach will die norwegische Regierung mit einem eigenwilligen Projekt. Im ewigen Eis auf Spitzbergen soll ein Bunker entstehen in dem rund zwei Mio. Samen der weltweit etwa 300 Getreidearten hinter Meter dicken Mauern einen landwirtschaftlichen Neuanfang nach dem Tag X ermöglichen. Die Welternährungsorganisation FAO gab ihre Zustimmung zu dem Projekt zur Erhalt der Kulturpflanzenvielfalt der Welt.