14.03.2008 09:46 Alter: 17 yrs
Kategorie: IG Nachbau Bauernstimme

Verdammt lang her, ab wann?

Ab wann ein Zahlungsanspruch der STV anfängt zu verjähren, daran scheiden sich richterliche Geister.


Die Frage ist eigentlich ganz einfach: Wann verjähren Zahlungsansprüche der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV)? Die Antwort ist wie immer in der juristischen Auseinandersetzung nicht so einfach. Drei dazu in den letzen Monaten ergangene Urteile kommen jedenfalls zu unterschiedlichen Erkenntnissen. Umso wichtiger ist die weitere gerichtliche Klärung vor höheren Instanzen, zumal die Thematik als solche eine erhebliche Relevanz in der Nachbauangelegenheit hat. Schließlich macht die STV häufig erst Jahre später ihre Ansprüche an Bäuerinnen und Bauern geltend. Hier einen konkreten Zeitraum abgesteckt zu bekommen, in dem sie das noch darf, liegt im Interesse der Bäuerinnen und Bauern aber letztlich auch in ihrem eigenen. Die Grundlage bildet das neue Schuldrecht mit dem, nach seiner Reform ab 2002, deutlich die Rechte der Käufer gestärkt werden sollten. Dies drückt sich auch in der Herabsetzung der Verjährungsfrist von 30 auf 3 Jahre aus. Wann genau aber die Verjährungsfrist von drei Jahren einsetzt, ist die kniffelige Frage an der ganzen Sache. Der Gesetzgeber spricht davon, dass der Gläubiger, also in diesem Fall die STV von „anspruchsbegründeten Umständen Kenntnis“ haben muss oder es aus „grober Fahrlässigkeit“ unterlässt, die Kenntnis zu erlangen. Wann und womit diese Kenntnis einsetzt, ist allerdings eine gerichtliche Auslegungssache. Daran versuchten sich das Landgericht in Kaiserslautern, das Landgericht Saarbrücken und das Landgericht in Braunschweig. Sie legen die volle Bandbreite dessen aus, was möglich ist. Im Fall des Landgerichts Kaiserslautern gab es eine frühere Nachbauerklärung des Bauern, mit der als Anhaltspunkts hätte die STV die erforderliche Nachbauauskunft bekommen können. Die STV stellte aber kein entsprechendes qualifiziertes Auskunftsersuchen, sondern erfasste die Nachbaudaten erst bei einer Betriebsprüfung fünf Jahre später. Diese Betriebsprüfung liegt noch keine drei Jahre zurück. Sie und eben nicht die „alte“ Nachbauerklärung legte das Landgericht Kaiserslautern als den Moment der „Kenntniserlangung“ fest und urteilte damit, dass der Anspruch noch nicht verjährt sei. Eine frühere Nachbauerklärung besage noch nichts über den künftigen Nachbau.

Bescheid wissen ab wann?

Das Landgericht Saarbrücken bewegt sich mit seiner Entscheidung am anderen Ende des möglichen Urteilsspektrums. Es schreibt: „Die (…) erforderliche Kenntnis bezieht sich indessen auf die Umstände, die den Anspruch dem Grunde nach entstehen lassen.“ Das heißt nicht anderes als – wie in dem konkreten Fall – dass eine sieben Jahre zurückliegende Nachbauerklärung Aufschluss darüber gibt, dass auch im Folgejahr mit Nachbau zu rechnen war und die STV somit die grundsätzliche Kenntnis besessen hat, dass hier was für sie zu holen ist. Wenn sie dann erst sieben Jahre später eine Klage anstrengt, ist die Angelegenheit verjährt. Das Gericht sagt dazu, dass der STV eine Durchsetzung ihrer Ansprüche grundsätzlich mit dem Instrument einer Stufenklage möglich gewesen wäre. Gewissermaßen in der Mitte liegt das Landgericht in Braunschweig. In diesem Fall hatte ein Aufbereiter die Daten seines bäuerlichen Kunden im Sommer 1999 für das vorangegangene Wirtschaftsjahr an die STV weitergegeben. Die STV stellte die Nachbaurechnung aber erst im Jahr 2006. Das Landgericht Braunschweig entschied zwar, dass die Aufbereitermeldung noch nicht ausreichend im Sinne der Verjährungsformulierung: „Kenntnis von anspruchsbegründeten Umständen“ sei. Es verpflichtete die STV aber, sich in einem bestimmten Zeitraum um den notwendigen Datenabgleich zu bemühen. Man müsse zugunsten der STV berücksichtigen, dass sie mit einer großen Anzahl an Bäuerinnen und Bauern und deren nicht unbedingt computerlesbaren Erklärungen umgehen müsse, schreiben die Richter. Auf der anderen Seite sei zu berücksichtigen, „dass die Klägerin über erhebliche organisatorische Mittel verfügt und ihre Aufgabe gerade die Wahrnehmung der Rechte der Sortenschutzinhaber ist.“ Sie müsse also die Voraussetzungen für einen zeitnahen Datenabgleich schaffen, sonst habe sie es beliebig in der Hand, den Verjährungsbeginn hinauszuzögern.“ Das Gericht bestimmte als angemessenen Zeitraum ein weiteres Jahr für den erforderlichen Datenabgleich bevor dann die dreijährige Verjährungsfrist einsetzt. Damit war auch in diesem konkreten Fall der Anspruch verjährt.

Vielzahl von Fällen

Alle Urteile beziehen sich auf national geschützte Sorten, für eine EU-geschützte Sorte lehnten die Braunschweiger Richter die Verjährung ab. Hier wird die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugebühren und Nachbaugesetze in Berufung gehen. Diese weitere gerichtliche Behandlung der Angelegenheit empfiehlt durch die Blume auch das Landgericht Braunschweig in seiner abschließenden Betrachtung: „Die Frage der Verjährung sortenschutzrechtlicher Altansprüche ist ebenso wenig wie die Frage, was unter Kenntnis im Sinne des Europäischen Rechts zu verstehen ist, bisher obergerichtlich geklärt. Davon sind eine Vielzahl von Fällen betroffen.“ Und mit der Vielzahl von Fällen sind gar nicht nur Nachbauangelegenheiten gemeint, hier geht es um eine generelle Auslegung des neuen Schuldrechts. So werden wieder einmal die Bäuerinnen und Bauern und die Anwälte der IGN zu Pionieren auf juristischem Neuland.