08.10.2007 09:42 Alter: 17 yrs
Kategorie: IG Nachbau Bauernstimme

Alte Ausforschung im neuen Kleid

Bundesministerium legt nicht-EU-rechtskonformen Nachbaugesetzesentwurf vor.


Vereinfachend, entbürokratisierend und den Rechtsfrieden wieder herstellend soll es wirken, das neue Nachbaugesetz. So steht es in dem nun veröffentlichten Entwurf des Ministeriums für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Änderung des Nachbauparagraphen im Sortenschutzgesetz. Die Lösung soll – wie ja schon in Vorgesprächen und daraufhin in der Bauernstimme angekündigt – eine Verlagerung der Informationspflicht weg von den Bäuerinnen und Bauern hin zu den Aufbereitern von Saatgut sein. Die Aufbereiter und Abpacker von Kartoffeln sollen als Flaschenhals Nachbaugebühren ihrer Kunden an die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) und damit an die Pflanzenzüchter abführen. Auf den ersten Blick mag das tatsächlich einfacher wirken, die Zahl der Ansprechpartner reduziert sich von 90.000 Bäuerinnen und Bauern auf rund 3.000 Aufbereiter. Diese sollen in dem Gesetzentwurf dazu verpflichtet werden, Sortennamen von ihren bäuerlichen Kunden zu erfragen und schon ist die Transparenz geschaffen, um Nachbaugebühren einziehen zu können. Damit wäre die allgemeine Auskunftspflicht, die die STV bislang gegenüber den Bäuerinnen und Bauern für sich in Anspruch nahm, die aber durch die Gerichtsentscheidungen von BGH und EuGH abgelehnt wurde, nun für die Aufbereiter installiert. Die Ausforschung der Landwirtschaft, wie sie die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugebühren und Nachbaugesetze (IGN) immer abgelehnt hat, wäre wieder da. Nicht EU-konform Zum Glück ist es so einfach aber alles doch nicht, der zentrale Inhalt des Gesetzentwurfes, nämlich der Gebühreneinzug über die Aufbereiter und Abpacker ist nicht zu vereinbaren mit der, jedem nationalen Nachbaugesetz zugrundeliegenden, EU-Regelung. Damit würden, käme es zur Umsetzung des vorliegenden Entwurfes, zwei unterschiedliche Rechtssysteme nebeneinandergestellt. Ganz praktisch heißt das: EU-geschütze Sorten würden komplett anders behandelt, wie national geschützte Sorten. Dieser Umstand macht sich in Zeiten, in denen sich die große Regierungskoalition in Berlin die Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung mit dem EU-Recht als eins der vordersten Ziele auf die Fahnen geschrieben hat mehr als schlecht. Das erkennt auch der Schreiber des Gesetzentwurfs, aber es sei den Wirtschaftsbeteiligten ja freigestellt, das hier entworfenen Verfahren auch für die gemeinschaftlich geschützten Sorten anzuwenden, so die Formulierung. Außerdem könne man doch dann gleich das EU-Nachbaugesetz dementsprechend ändern. Damit wird allerdings völlig ausgeblendet, dass in keinem anderen Land der EU größere Probleme mit der vorhandenen Regelung gegeben hat, nirgendwo sonst wurden gerichtliche Auseinandersetzungen geführt. Bei uns haben diese Verfahren aber dafür gesorgt, dass nach jahrelangem Ausforschungsbegehren und überhöhten Zahlungsforderungen der STV und den Züchtern ein gewisser Interessensausgleich zwischen Bauern und Züchtern wieder hergestellt wurde. Auch die Richter an EuGH und BGH rieten den Züchtern mehrfach, doch überhaupt erst einmal nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten, wie sie denn zu ihrem Recht kommen können. Stattdessen beklagten die Züchter immer nur ihre Handlungsunfähigkeit und haben nun durch ihre Lobbyarbeit im Ministerium diesen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der zudem auch durch praktisch-technische Unzulänglichkeiten glänzt. Eine entscheidende ist z. B. die Tatsache, dass Aufbereiter und Abpacker weit vor oder nach dem eigentlichen Nachbauakt in der Produktionskette stehen (der EuGH schrieb, sie seien nur die „Gehilfen des Landwirts“) und damit die Gebührenabgabe gar nicht mehr exakt an den Nachbau des Einzelnen gekoppelt werden kann. Die IGN lehnt denn auch diesen Neuentwurf ab und hält es stattdessen für mehr als angemessen erst einmal die vorhandene Regelung unter den neuen Bedingungen, die die höchstrichterlichen Urteile geschaffen haben, ernsthaft auszuprobieren. Die Züchter sollten ihre Verweigerungshaltung aufgeben und nach ernsthaften Lösungen suchen. Diese Einschätzung vertraten die Vertreterinnen und Vertreter der IGN auch bei ihren Gesprächen mit verschiednen Bundestagsabgeordneten. Dabei stießen sie bei Ulrike Höfken und Cornelia Behm von den Grünen wie auch Peter Bleser von der CDU und Elvira Drobinski-Weiss von der SPD auf großes Verständnis. Bleser, selbst aus der Landwirtschaft stammend, machte deutlich, dass er den Weg über die Aufbereiter für problematisch halte und bei den Bäuerinnen und Bauern stehe. Seine grünen Kolleginnen wollen Informationen einholen, wie es denn in Europa noch so läuft. Das interessiert auch SPD-Agrarexpertin Elvira Drobinski-Weiss, die deutlich die Schwierigkeit der zwei unterschiedlichen Rechtssysteme, die dieser Gesetzentwurf produzieren würde, sieht und in konkrete Gespräche mit den übrigen politisch Verantwortlichen einsteigen will. Zunächst ist es jedoch an den vom Ministerium angeschriebnen Interessensverbänden eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abzugeben. Auf die des Bauernverbandes darf man gespannt sein. Hört er auf die Stimmen verschiedenster Landesbauernverbände, so muss er zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Gesetzesvorschlag kommen. Es wird sich zeigen, ob Basis und mittlere Führungsebnen inzwischen bis an die Spitze durchdringen oder ob die Verbundenheit mit den Züchtern nach wie vor die Größere ist. Eindeutig wird jedenfalls die Stellungnahme der IGN ausfallen – dieser Gesetzentwurf gehört in den Papierkorb.