16.05.2019 13:42 Alter: 5 yrs
Kategorie: IG Nachbau Bauernstimme
Von: Unabhängige Bauernstimme 12/18

Produktive Vielfalt in der Landwirtschaft

Forschung und Praxis von Mischkulturen


Der Anbau von Pflanzen in Gemengen bietet eine Reihe von Vorteilen: effizientere Nährstoffnutzung, höhere Gesamterträge, verbesserte Ertragsstabilität oder auch eine effizientere Ernte von Leguminosen durch Reduktion der Lagerneigung. Allerdings erhöhen Mischkulturen auch die Komplexität des Agrarökosystems, das Bäuerinnen und Bauern managen müssen. Einerseits gibt es Unmengen an Kombinationen von Pflanzenarten und Sorten, von denen nur bestimmte Kombinationen Vorteile bringen und praktikabel sind. Andererseits muss beim Anbau nicht nur Rücksicht auf die Bedürfnisse einer, sondern mehrerer Kulturarten genommen werden. Hinzu kommen die ökologischen Interaktionen der Kulturpflanzen – sozusagen das „Zwischenpflanzliche“. Mit dieser Komplexität zu arbeiten, erfordert viel Wissen und praktische Erfahrung. Beispielsweise brauchen sogenannte normalblättrig-hochwachsende Wintererbsen ein besonders kräftiges und konkurrenzstarkes Getreide wie Triticale als Stützpartner. Weniger hochwachsende halbblattlose Sommererbsen lassen sich hingegen besser mit niedrigeren Getreiden wie Hafer oder Gerste kombinieren. Die Linse wiederum benötigt einen frühreifen und kurzstrohigen Hafer als Partner. In der Praxis, vor allem des Ökolandbaues, finden diese Gemenge bereits Anwendung. Zumindest teilweise gibt es das notwendige Wissen erfahrener Bauern und Bäuerinnen und passende Sorten. Für andere Mischungskombinationen müssen Sorten erst gezüchtet und Wissen für den Anbau erarbeitet werden. Um diese Herausforderungen anzugehen, wurde das EU-Forschungsprojekt ReMIX ins Leben gerufen. Im Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz der Universität Kassel werden, unter der Leitung von Prof. Maria Finckh, einzelne Aspekte des EU-Projekts ReMIX bearbeitet. Ziel des Projekts ist es, Mischkulturen wissenschaftlich und in Zusammenarbeit mit BäuerInnen weiterzuentwickeln. Bisher wurden ein Workshop zum Thema Mischkulturen durchgeführt und Kontakte zu Bäuerinnen und Bauern hergestellt. Geplant sind außerdem Praxisversuche, wissenschaftliche Versuche in am Versuchsstandort in Neu Eichenberg und Interviewstudien. Ein zentraler Aspekt von Mischkulturen sind Züchtung und Sortenwahl.

Beispiel Erbse

Die Erbse ist eine Pflanze, die auf andere Pflanzen angewiesen ist. Nur so kann sie sich über den Boden erheben, um an die wertvolle Ressource Licht zu gelangen und ihre Samen über weite Strecken zu verteilen. Um an anderen Pflanzen emporzuklettern nutzt die Erbsenpflanze ihre Ranken. Durch die Züchtung der vergangenen Jahrzehnte wurde die Erbse jedoch auf eine Eignung für Reinkultur optimiert. Ein Problem von Erbsen in Reinkultur ist jedoch ihre Neigung zum Lager. Deshalb wurden sogenannte halbblattlose Erbsen gezüchtet, bei denen die Fiederblätter durch zusätzliche Ranken ersetzt sind. So können sie sich über die zusätzlichen Ranken miteinander verhaken und gegenseitig stabilisieren, wodurch die Standfestigkeit erhöht wird. An Blattmasse verbleiben diesen Erbsen nur noch Nebenblätter. Sogar völlig blattlose Erbsen wurden gezüchtet, die überhaupt keine „normalen“ Blätter mehr ausbilden, sondern ausschließlich Ranken. Damit verbunden ist ein Problem: Die Konkurrenzfähigkeit dieser Erbsen ist im Vergleich mit normalblättrigen Erbsen reduziert, eine stärkere Unkrautbekämpfung ist notwendig. Diese Optimierung auf Monokultur erzeugt also eine zusätzliche Abhängigkeit für externe Betriebsmittel. Dies ist eine paradoxe Entwicklung, da sich die Erbse als rankende Pflanze eigentlich geradezu für den Mischanbau anbietet.

Mischkultur mit Weizen

In der Praxis bereits etablierte Mischkulturen sollten weiter optimiert werden. Zusätzlich sollte man aber auch neue Mischkulturen testen und entwickeln. Eine Herausforderung des ökologischen Weizenanbaus liegt in dem Erreichen eines ausreichenden Proteingehalts für die Verwendung als Backweizen. Aufgrund geringer Stickstoffgaben werden die geforderten 13% Protein oft nicht erreicht. Die Mischkultur Weizen-Erbse, z. B. mit Saatstärken von 50% der Reinsaatstärke bei der Erbse und 70% bei Weizen könnte eine Lösung sein. Durch die geringeren Saatstärken bleibt mehr Bodenstickstoff für die Weizenpflanzen, während andererseits die Erbsen durch die Konkurrenz mit dem Weizen dazu gezwungen sind, vermehrt Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Dies kann wiederrum die Effizienz der Stickstoffnutzung des Weizens erhöhen und damit dessen Backqualität verbessern. Möglicherweise gibt die Erbse auch einen Teil ihres aus der Luft gewonnen Stickstoffes an den Weizen ab. Auf dem Versuchsbetrieb Neu Eichenberg laufen zur Zeit Experimente, um die Eignung verschiedener Weizensorten, Weizenpopulationen (siehe frühere Ausgaben der Bauernstimme) und Erbsensorten für Mischkulturen zu untersuchen. Mischkulturen sind ein vielversprechender Ansatz, um wieder mehr Vielfalt in landwirtschaftliche Betriebe zu bringen. Hierfür braucht es neben wissenschaftlichen Studien vor allem den Aufbau praktischer Erfahrung und praktischen Wissens durch experimentierfreudige Bäuerinnen und Bauern.