09.03.2009 14:05 Alter: 16 yrs
Kategorie: IG Nachbau Bauernstimme
Von: Unabhängige Bauernstimme 2/09

Saatgutverkehrsgesetze auf dem EU-Prüfstand

Entbürokratisierung oder neue Hürden für kleinere ZüchterInnen und SaatgutverwenderInnen?


Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission im letzten Jahr die Neufassung der Saatgutverkehrsgesetze vorbereitet. Im Februar 2008 hatte sie die WirtschaftsvertreterInnen und interessierte Verbände mit einem Fragebogen dazu aufgerufen, zur jetzigen Gesetzgebung Stellung zu beziehen. Die Antworten wurden in einen Evaluationsbericht eingearbeitet, der unter ec.europa.eu/food/plant/propagation/evaluation/index_en.htm abrufbar ist. Die Saatgutverkehrsgesetze  bestimmen, was als Saatgut auf den EU-Markt kommen darf. Geregelt sind Saatgutreinheit und Keimfähigkeit, außerdem was eigentlich eine Sorte ist und wann eine neue Sorte auf den Markt gebracht werden darf. Die neue Sorte muss in aufwendigen Sortenprüfungen beweisen, dass sie sich von anderen unterscheidet, homogen und beständig ist. Zur Zeit wird der Saatgutverkehr in der EU durch 12 Richtlinien und die entsprechende nationale Umsetzung geregelt. Ziel der EU-Kommission war zunächst zu evaluieren, ob es Möglichkeiten der Vereinfachung, Zusammenfassung, Entbürokratisierung gibt. Der nun vorgelegte Evaluierungsbericht legt aber bereits konkretes Veränderungspotential vor. In dem Bericht wird erkennbar, in welche Richtung die Saatgutindustrie die Gesetzgebung beeinflussen möchte. Die Konzerne möchten ihre Sortenprüfungen selbst durchführen; die zuständigen Behörden würden dann die Sortenzulassungen auf Basis eingereichter Berichte aussprechen. Für kleinere Züchtungsunternehmen, die nicht über die Möglichkeiten verfügen, solche Prüfungen durchzuführen, kann das von Nachteil sein. Fraglich ist auch, ob und wie Bäuerinnen und Bauern dann Zugang zu Ergebnissen unabhängiger Feldprüfungen bekommen. Sehr problematisch wäre es, wenn sich eine Anerkennung von Sorten anhand von Gensequenzen durchsetzen sollte - denn diese Definitionen würden später sehr wahrscheinlich ins Sortenschutzrecht übernommen werden und dort dazu führen können, dass sich dieses weiter zu einer Art Patentschutz für Pflanzen entwickelt.  

Erhaltungssorten gerettet?

Die ErhalterInnen alter Sorten sowie bäuerliche und klein strukturierte ZüchterInnen können bisher aufgrund der hohen Kosten sowie strikter Kriterien zur Beständigkeit und Einheitlichkeit kaum auf die Anerkennung einer Sorte hoffen. Die 2008 verabschiedete Richtlinie für Erhaltungssorten, also Landsorten und regional angepasste, vom Aussterben bedrohte Sorten, verbessert die Situation kaum. Insbesondere für solche Länder wie Rumänien, in denen noch viele traditionelle Sorten existieren, bedeutet die Gesetzgebung keine Rettung, sondern, dass viele traditionelle Sorten illegal werden – und dies obwohl sich die EU dem Erhalt der biologischen Vielfalt verpflichtet hat. Wer in der EU Saatgut einer nicht zugelassenen Sorte verkauft, macht sich strafbar. Auch das Zulassungskriterium „landeskultureller Wert“ macht vielen Sorten den Garaus. Eine für den Biolandbau gezüchtete Getreidesorte bringt in konventioneller Versuchsanordnung nicht unbedingt mehr Ertrag – damit wäre sie bei diesem Kriterium durchgefallen, sie darf sich dem Markt gar nicht erst stellen. Deshalb ist es notwendig, sich dafür einzusetzen, dass diese bürokratischen Hürden für die Erhaltung der Vielfalt endlich abgeschafft werden.  

Konferenz im März

Weitere Diskussionspunkte sind die Forderungen der Industrie, dem illegalem Import und illegaler Saatgutnutzung den Riegel vorzuschieben und welche Rolle das EU-Sortenamt gegenüber den nationalen Behörden erhalten soll. Sehr wichtig ist die Frage, ob mit dieser Gesetzgebung versucht wird, einen Kennzeichnungsschwellenwert für Gentech-Kontaminationen im Saatgut zu erlassen. Für den 18. März plant die EU-Kommission eine Konferenz, auf der InteressenvertreterInnen von Saatgutfirmen, Umweltverbänden und Bauernorganisationen zum Thema angehört werden sollen. Wir werden dort sein, aber sollten uns nicht der Illusion hingeben, damit wäre die politische Arbeit getan. Unsere Forderungen werden nur zum Ziel führen, wenn sie von einem breiten Bündnis unterstützt werden. Nach der Konferenz wird die EU-Kommission einen Vorschlag für die neue Gesetzgebung erarbeiten, den sie dann Rat und Parlament vorlegt. Vom EU-Ministerrat und dem neu gewählten EU-Parlament wird diese neue Gesetzgebung frühestens Ende 2009 abgestimmt. In Kraft treten kann sie dann frühestens Ende 2010.